Antikoagulation bei Kardioversion von Vorhofflimmern
Eine Kardioversion (KV) von persistierendem VHF geht unabhängig von der Art und Weise (medikamentös, elektrisch, ablativ) mit einem erhöhten Thrombembolierisiko einher. Deswegen ist hier besonders Augenmerk auf die Verhinderung thrombembolischer Ereignisse zu legen. Zwei Vorgehensweisen werden empfohlen.
1. Bei persistierendem VHF >48h konventionelle OAK mit Vit.K- Antagonisten (VKA) ≥3 Wochen vor KV mit dokumentierter INR 2-3 (optimal ≥2,5), wobei der INR-Wert von 1,8 nicht unterschritten werden sollte.
Dies ist auch mit dem Faktor- IIa- Inhibitor Dabigatran über diesen Zeitraum möglich. (ESC Guidelines Update 2012: Empfehlungsgrad I, Evidenzgrad B). Auch für die Faktor- Xa- Inhibitoren liegen entsprechende Daten vor (X-VeRT- Studie für Rivaroxaban, EMANATE- Studie für Apixaban).
Der durchgehende effektive INR-Nachweis kann am besten mittels Gerinnungs- Selbstmanagement (z.B. CoaguChek XS®) gewährleistet werden. Wenn es ansonsten nicht gelingt einen durchweg nachweisbaren effektiven INR- Wert zu dokumentieren (mindestens 3 INR-Werte in den 3 – 4 Wochen vor KV sollten im Zielbereich liegen) , wird zur Erhöhung der Sicherheit eine TEE vor KV empfohlen.
Da eine Kontrolle der Effektivität der Gerinnungshemmung bei den NOAK in der Routine nicht möglich ist, ist nach unserer Meinung hier immer eine TEE zu empfehlen.
2. Um das elektrische, kontraktile und strukturelle Remodeling möglichst zu verringern, wird insbesondere bei instabilen, herzinsuffizienten Patienten oder weiterhin symptomatischen Patienten unter Frequenzkontrolle eine frühzeitige TEE-gestützte KV empfohlen (Empfehlungsgrad I, Evidenzgrad B).
Die Gleichwertigkeit und Sicherheit gegenüber dem konventionellen Vorgehen konnte in mehreren Studien gezeigt werden (ACE: Stellbrink et al. Circ.2004; ACUTE II: Klein et al. EHJ 2006; AFFECT: Tebbe et al. Clin Res Cardiol 2008).
Lassen sich mittels TEE Thromben ausschließen, ist eine rasche Kardioversion auch ohne vorausgehende mehrwöchige Antikoagulation möglich. Als Embolieschutz wird eine Antikoagulation mit befristeter Therapie mit NMWH s.c. oder unfraktioniertem Heparin (UFH) i.v. nach PTT und überlappender OAK mit VKA empfohlen.
Aufgrund des schnellen Wirkeintritts der NOAK sind diese bei entsprechender Medikamentenadhärenz zur effektiven Antikoagulation geeignet ohne Notwendigkeit einer überlappenden Therapie mit Heparinen.
Es ist hier jedoch eine genaue Kenntnis und Beachtung der Arzneimittel-Interaktionen erforderlich, so ist z.B. a.Gr. von AZMW über gp- Protein der Einsatz von Dronedaron unter NOAK- Therapie mit Dabigatran und Rivaroxaban nicht zu empfehlen.
In die Entscheidung über das Vorgehen bzgl. Methode1 vs. Methode 2 sollte das Embolierisiko (insbesondere vorausgegangene Thrombembolie) und der TEE-Befund (LAA- Einsehbarkeit, Flussgeschwindigkeit, Spontanechokontrast etc.) einbezogen werden. Neuere Erkenntnisse weisen auch auf Bedeutung der LAA-Anatomie hin, bei dem die sog. „chicken wing“-Morphologie möglicherweise ein niedrigeres Risiko (4 % Insultprävalenz) aufweist gegenüber einer stärkeren Verästelung bei sog. „Kaktus“- (12 %) oder „Blumenkohl“-Struktur (18 %) [Natale et al. JACC 2012; 60:531].
Sollte ein LAA-Thrombus nachweisbar sein, ist eine OAK- Therapie mit VKA mit ≥3 Wochen mit INR- Kontrolle 2,5-3,0 (s.o.) erforderlich und bei weiterhin vorgesehener KV eine TEE-Kontrolle obligat. Bei weiterhin bestehendem LAA-Thrombus INR- Ziel 3-3,5 und/oder + ASS 100mg, Planung ggf. LAA- Verschluß, egal ob ein Strategiewechsel zur Frequenzkontrolle oder SR angestrebt wird.
Die Antikoagulation sollte in alle Fällen nach KV über mindestens 4 Wochen aufrechterhalten werden, da über mehrere Tage bis zu 3 - 4 Wochen nach Konversion ein „atriales stunning“ mit Verlust der Vorhofkontraktion bestehen kann. So sind auch Thrombembolien viele Tage nach KV erklärbar.
Nach diesen 4 Wochen richtet sich die Fortführung der OAK (VKA oder NOAK) nach dem individuellen Embolierisiko mittels CHADS 2- Score oder CHA 2DS 2VASc- Score oder ob ein Thrombus nachweisbar war, dies stellt eine Indikation zur Dauerantikoagulation dar.
Die Dauer der OAK ist unabhängig davon, ob nach KV Sinusrhythmus scheinbar aufrechterhalten werden kann oder nicht. Nach Ablation (PVI/Focusablation) kommt es in bis zu 20% nach 5 Jahren wieder zu VHF, oft asymptomatisch.
Somit sollte der fehlende Nachweis von Vorhofflimmer- Rezidiven nach aktueller Datenlage in der Regel kein Anlass für die Beendigung einer einmal begonnenen Antikoagulation sein. In begründeten Fällen kann bei intensivem unauffälligem Monitoring (ILR, SM/ICD) oder etwa bei nicht beherrschbarem Blutungsrisiko oder bei Formen von Vorhofflimmern mit eindeutig passagerer Ursache, hiervon abgewichen werden (Kommentar zu ESC Leitlinien; Kirchhof et al. Kardiologe 2012).
Die antithrombotische Therapie bei Vorhofflattern soll vergleichbar der bei Vorhofflimmern durchgeführt werden (Empfehlungsgrad I, Evidenzgrad C). Bei > 2/3 der Patienten, die ausschließlich Vorhofflattern hatten und erfolgreich abladiert wurden, trat im Verlauf von 5 – 8 Jahren auch Vorhofflimmern auf.
Eine Besonderheit stellt das VHF mit „eindeutiger“ (!) Dauer < 48h dar („definite AF onset <48 h“ bzw. „ AF duration that is clearly <48 h“). Hier kann eine Antikoagulation mit Heparin (UFH i.v. oder NMWH s.c.) oder NOAK ohne TEE oder vorausgehender längerer OAK empfohlen werden. Bei Vorhandensein von Risikofaktoren für Thrombembolie sollte unmittelbar eine zeitlich unbefristete OAK gestartet werden (Empfehlungsgrad I, Evidenzgrad B). Überlappende Heparinisierung mindestens für 3-5 Tage und bis INR ≥2,0 beträgt. Bei NOAK-Einsatz ist keine Überlappung notwendig.
Unter Apixaban kann nach loading dose von 10mg bzw. 5 mg (bei Indikation zur Dosisreduktion) gefolgt von 2x5mg/d bzw.2x2,5mg/d oder frühestens nach 5 Einzeldosen die KV sicher durchgeführt werden (EMANATE- Studie).
Bei Einsatz von Rivaroxaban fand sich in der X-VeRT- Studie die früheste KV nach 4 Stunden statt a.Gr. des max.Wirkeintritts nach 2-4h.
Wie weiter bei CHA 2DS 2VASc- Score von „0“?
Bei Patienten ohne thrombembolische Risikofaktoren wird keine nachfolgende orale Antikoagulation als erforderlich angesehen (Empfehlungsgrad IIb, Evidenzgrad C). Uns erscheint jedoch die Nutzen/Risiko-Abwägung für eine vierwöchige Antikoagulation (vorzugsweise NOAK) nach Kardioversion von Vorhofflimmern auch in diesen Fällen gerechtfertigt. Neuere Untersuchungen bestärken diese Ansicht. Eine kürzlich publizierte retrospektive dänische Analyse von 16.274 Kardioversionen ergab in den ersten 30 Tagen nach der KV ein mehr als doppelt so hohes Risiko für Embolien, wenn keine Antikoagulation während und nach der KV verabreicht wurden [Hansen et al., Europace 2015; 17:18-23].
Der CHA2 DS2-Vasc-Score hatte keine Bedeutung für das Auftreten von Embolien mit und ohne OAK innerhalb von 30 Tagen nach KV.
Bei einem Score 0 – 1 war das Risiko für eine Embolie nach KV ohne Antikoagulation im Vergleich zur Antikoagulation um den Faktor 2,21 und bei einem Score > 2 um den Faktor 2,4 erhöht.
Eine retrospektive finnische Studie [Airaksinen et al., JACC 2013; 62:1187-92] untersuchte das Auftreten von Embolien innerhalb von 30 Tagen bei 2.481 Patienten mit VHF < 48 h-Dauer ohne Antikoagulation. Es ereigneten sich 38 Embolien. Bei 10 Embolien lag ein CHA2DS2-Vasc-Wert von 0–1 vor. Die Embolien traten zwischen dem 1. und 27. Tag (im Median am 2. Tag) auf.
Jeder Schlaganfall oder systemische Thrombembolie ist eine(r) zuviel!
Literaturhinweise:
Kardioversion von nichtvalvulärem Vorhofflimmern
Klein HH, Trappe HJ: Cardioversion in non-valvular atrial fibrillation. Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 856–62.DOI: 10.3238/arztebl.2015.0856